Wenn man die Energie, Zeit aufbringen kann den A.T. in 5-6 Monaten durchzuwandern dann ist man zweifellos ein Hiking-Star! Aber was, wenn man nicht die Möglichkeit hat sich für einige Monate von der Familie, vom Job “ frei-zu-schauffeln“! Wenn man also nur für einige Wochen im Jahr seinem Ziel den A.T. zu vollenden nachgehen kann? Ist man dann als sog. Sektion-Hiker ein Weitwanderer zweiter Klasse? Eine wirklich spannende aber auch philosophische Frage! In meinen 2. Jahren als Section-Hiker am A.T. habe ich viele Hiker-Kollegen gefragt „are you a Thru-Hiker? – alle haben JA gesagt – viele von denen habe ich in meinen wenigen Wochen am Trail nie mehr wieder gesehen! Auch wenn man die Trial-Journals ein bißchen durchsieht merkt man schnell, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit manchmal sehr wenige Tage liegen!

Aber ist der A.T. eigentlich ein Weg, ein Pfad der lustvoll zu wandern ist? Vorweg sag ich gleich mal nein – den mit Wandern hat der Appalachian Trail wirklich nichts zu tun! Ehrlich gesagt, es ist teilweise richtig anstrengend und teilweise gefährlich! Aber das ist ja wohl der Reiz, die Challenge dieses Unterfangens! Ich war im ersten Jahr meines Section Hikes wirklich in vielen Dingen blauäugig – aber eines war mir schon bewußt! Ich mußte zumindest körperlich gut vorbereitet auf den A.T. sein. Ich bin überzeugt, dass die Einstellung, dass die körperliche Fitness schon kommen wird (die „trail-legs“ werden schon wachsen) vielleicht bei Wenigen funktioniert; jedoch führt meiner Erfahrung nach, diese Einstellung bei den meisten Hikern nach kürzester Zeit zum Ausstieg aus dem Trail. Wer morgens mit schmerzenden Beinen aufwacht in der Erwartung, wieder 15 – 20 Meilen gehen zu müssen, der hat wirklich schlechte Karten! D.h. der Genuß, der Lustgewinn, liegt meiner Erfahrung nach nicht im Gehen selbst. Wer die Stein- und Geröllwüsten in Pennsylvania als lustvolles Wandergebiet bezeichnet ist schlichtweg ein Masochist! Diese Abschnitte zu bewältigen ist einfach Herausforderung – sozusagen eine Challenge – und definitiv eine Frage der körperlichen Fitness!

Der Verzicht auf „normales Essen und Trinken“ für die Mehrzahl der Trialtage ist fixer Bestandteil des A.T. Ich habe es wirklich für sinnbringend empfunden wie einfach Leben wird – es reduzierte sich für mich auf die Frage „Hast du genug zu Trinken?“ dies hieß Wasser  bzw. weißt du wo die nächste Quelle ist?  und „Hast du genug zu Essen in deinem Rucksack? Es war kein Platz für Gedanken an ein Bier, Burger usw. Diese Erfahrung zeigte mir aber auch in welchen Überfluss ja teilweise Dekatenz wir leben! Ich lernte Demut aus dieser Realität! Für mich hieß der Lustgewinn einfach Natur erleben! Ich war in meinem Leben noch nie so tief drinnen im Schoß der Mutter Natur wie teilweise am A.T. Natürlich war ich in Österreich oft in den Wäldern und auf den Bergen usw unterwegs – aber der A.T. lehrte mich trotzdem noch eine andere Art von Umgang mit der Natur! Der Spagat zwischen lustvollen Wandern eingebettet in die angenehmen Vorteile der Zivilisation ist am A.T nicht zu schaffen! Wer dies  unter lustvollem Wandern versteht wird enttäuscht werden.

Also es ist unbestritten, dass Trail -wandern nicht immer lustgewinnend ist! Worin liegt aber dann der Lustgewinn? Ich wußte vor meinem ersten Section Hike, dass ich die Geduld hatte, mit mir allein einen ganzen Tag zu verbringen! Erst dachte ich mir, wau, du hast einen ganzen Tag Zeit zu denken! Was wird da wohl rauskommen! Ich war sehr überrascht, dass es nicht einmal einen Tag dauerte vollkommen abzuschalten! Spätestens am 3. Tag dachte ich an überhaupt nichts mehr! Der Kopf war frei – sowas von frei, dass ich in der Lage war, meine Umgebung wirklich wahrzunehmen, zu erfassen! Diesen Zustand empfinde ich als Genuß, als Lustgewinn! Natürlich sind die netten Abende am Shelter eine tolle Sache! Aber wenn du in der Lage bist, einen schönen Schmetterling am Wegesrand richtig wahrzunehmen, dann bist du mitten drin im A.T.-feeling! Meines Erachtens sollte jeder der spirituelle, geistige Erneuerung, Reinigung usw. sucht, sich Mutter Natur anvertrauen und sich nicht dem Kommerz am Jakobs Weg ausliefern.

Ich war bei meinen 2. Section-Hikes immer allein unterwegs! Es gab nie ein Problem damit! Ich brauchte nie auf jemanden zu warten, ich konnte immer meinen Plan umsetzen. Natürlich trifft man am Trail und am Shelter immer Menschen! Alle die dasselbe Tempo gehen triffst du immer öfter an den Sheltern. Ich habe oft allein in Sheltern geschlafen und nie eine Situation erlebt die irgendwie bedenklich oder gefährlich gewesen wäre. Also ich habe mit mir allein bisher die besten Erfahrungen gemacht. Es braucht niemand Bedenken haben den Trail alleine in Angriff zu nehmen.

Für meinen Teil ist es so, dass ich ab 2013 – hier fasste ich den Entschluss den A.T zu hiken – meine Lebensweise diesem Ziel völlig unterordnete! Ich stellte meine Ernährungsweise um, nahm über 25kg ab und begann zu trainieren. Seither bestimmt Bewegung mein Leben! Gehen, Laufen, Radfahren, Cross-Stepping und das 5-6 mal in der Woche. Seit März 2013 bin ich ohne A.T. 4600 KM gegangen, gelaufen! Ich bin mit meinen jetzt 58zig Jahren so fit wie nie zuvor! Dies alles verdanke ich dem A.T.

Ich gehe 2016 wieder zurück nach Manchester-/Vermont und werde die White Mountains überqueren bis Monson-/Maine. Dann bin ich noch ca. 115 Meilen vom Mt.Kathadin entfernt. Ich freue mich schon wieder riesig auf dieses Erlebnis. Nächstes Jahr – 2017 werde ich den Trail beenden. Ich habe dann 3 Monate Zeit die Lücke vom Springer Mountain bis Waynesboro-Virginia zu schließen und die letzten 100 Meilen zum Mt. Kathadin zu schließen. Und anschließend werde ich ganz stolz sagen : I´m a thru-hiker